Inland-Praktikum in Ayurveda-Medizin im Oktober 2018
Im Ayurveda-Zentrum, Bad Bocklet
Tag 1 der zweiten Woche
Um 7.30 Uhr bin ich pünktlich zum Yoga da. Tina, die Yogalehrerin, sagt: „Es wird voll, 15 Personen sind angemeldet“. Aber zwei Matten bleiben dennoch frei und ich kann mitmachen!
Viele Gesichter kenne ich schon. Einige sind neu. Sie sind gestern am Sonntag angereist.
Ich liege neben einer jungen Frau, die aufgrund einer seltenen neurologischen Erkrankung, ihr Gangmuster nicht mehr gut koordinieren kann und in Folge dessen nicht mehr selbstständig gehen oder stehen kann. Ich hatte ihr bei der letzten Konsultation empfohlen, Yoga im Sitzen und Liegen auszuprobieren, um ihre Stützmuskulatur (core) zu stärken und ihre Körperwahrnehmung, trotz bzw. wegen der Behinderung gezielt zu trainieren. Mit großer Konzentration machte sie, so gut wie es ihr möglich war, alles mit. Es sind solche Menschen, die ich am meisten bewundere. Sie schöpfen Moment für Moment das Beste aus jeder Situation und lassen sich durch Vergleiche und Maßstäbe nicht verunsichern.
Anschließend nehme ich an zwei Erstkonsultationen teil. Ich beobachte, wie Dr. Joseph Anamnese, Untersuchung, Konstitutionsbestimmung durchführt und aufgrund der ayurvedischen Diagnostik einen Therapieplan samt Verordnung von Arzneimitteln herstellt. Inzwischen kenne ich mich mit der Hausapotheke einigermaßen aus, sodass er mir am Ende der Konsultation sein Rezept mit seltsam anmutenden Bezeichnungen wie Chandraprabha vati oder Maharasnadi kvath reicht. Ich hole dann die Arzneimittel, die ich für die Patienten mit Dosierung und Einnahmeschema entsprechend beschrifte.
Danach möchte ich mir eine Spezial-Anwendung – die Nasenbehandlung (nasya genannt) anschauen. Ich frage eine junge Patientin mit Asthma, die ich vor einigen Tagen kennengelernt habe, ob ich bei der Behandlung dabei sein darf. Daraufhin antwortet sie: „Sehr gern, Sie können mir sogar vielleicht helfen. Ich habe so eine Angst, keine Luft zu bekommen. Vielleicht können Sie mich in Trance versetzen…“ Ja, Menschen in eine tiefe Entspannung versetzen, das kann ich ziemlich gut… Die Behandlung läuft nun wunderbar! Die Patientin ist ganz entspannt und die indische Therapeutin ebenfalls 😊
Vor der Mittagspause gehe ich kurz in die Praxis von Dr. Joseph zurück, der mir mit einem großen Lächeln vier Patienten-Akten in die Hände drückt. Ich soll die Tageskonsultationen für diese vier Patientinnen am Nachmittag durchführen und die Behandlungstermine für den nächsten Tag ins System eingeben.
Keine Zeit zum Luft Holen. Mein Herz hüpft vor Aufregung… Ja, das erledige ich sehr gerne.
Alles gut gelaufen! Ich konnte auch mal in Ruhe den Puls testen, auf die Zunge schauen und alle Fragen stellen, die ich noch bei den einzelnen Fällen im Hinterkopf hatte.